Kürzungstechnik

    Alle leistungsfähigen Stenografiesysteme setzen Kürzungen, Kürzel und Abkürzungen ein, um die Schrift zu verkürzen und somit eine möglichst hohe Erfassungsgeschwindigkeit zu erreichen. Hohe Schreibgeschwindigkeiten werden gebraucht für die Anwendung der Stenografie als Debattenschrift, also zum Erfassen schnell vorgetragener Rede- und Diskussionsbeiträge oder zum Niederlegen von Entwürfen in Echtzeit.

    Auch bei den regelmäßig ausgetragenen Wettbewerben in Kurzschrift, z. B. bei Deutschen Meisterschaften oder Weltmeisterschaften, werden an die Teilnehmer hohe Anforderungen gestellt, die sich nur durch eine meisterhafte Beherrschung der Kurzschrift (einschließlich einer ausgefeilten Kürzungstechnik) erfüllen lassen. Wer sich für die Teilnahme an solchen Veranstaltungen interessiert, findet hier eine aktuelle Terminübersicht oder kann sich an die ausrichtende Dachorganisation wenden (stenografische Vereine, Bezirke, Verbände, den Deutschen Stenografenbund oder die Intersteno).

    Zur Kürzungstheorie gehören Regeln, die die Ableitung kürzerer Schriftbilder ermöglichen. Die Entscheidung, welche Regel gewählt wird, ist unter Berücksichtigung der Häufigkeit der zu kürzenden Wörter und unter Vermeidung möglicherweise verwechselbarer Formen zu treffen. So könnte die Abkürzung fa (nach unserer Terminologie eine Anlautkürzung) beispielsweise für die Wortstämme -fach-, -fall- oder -fahr- stehen.

    Geometrischen und kursiven Kurzschriften (Oberbegriff: grafische Kurzschriften) stehen außer den sprachlich basierten Kürzungsmöglichkeiten (z. B. Stammkürzungen auf den Anlaut, Inlaut, Auslaut oder Nachlaut, Formkürzungen etc.) zusätzlich noch grafische Kürzungstechniken zur Verfügung (Verschmelzung, Überdeckung, Verdichtung u. v. m.).

    Das Regelwerk für die in Deutschland und Österreich gebräuchliche Deutsche Einheitskurzschrift (DEK) ist die Systemurkunde (SU), die auch als Wiener Urkunde (WU) bezeichnet wird. Die Schnellschrift ist in den §§ 10 bis 20 der Wiener Urkunde dargestellt.

    Anregungen für weitergehende Kürzungen findet man in den Stenogrammen jedes Stenografen. Ausgewertet werden vor allem die Stenogramme erfahrener Praktiker, die ihre Kürzungen entsprechend den Anforderungen des parlamentarischen Alltags entwickelt und erprobt haben. In der Zeitschrift des Verbands der Parlaments- und Verhandlungsstenografen findet man Formen der „Hohen Praxis”, die über die Redeschrift hinausgehen. Kriterien sind hier Kürze, eindeutige Lesbarkeit in verschiedenen Zusammenhängen und Zerrfestigkeit insbesondere bei hohem Schreibtempo.

    Kürzungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Stenosystemen verschiedener Sprachen werden mittlerweile auch in zahlreichen Facebook-Foren rege diskutiert. (Übrigens betreibt auch die Forschungsstätte eine eigene Facebook-Gruppe, zu der Sie herzlich eingeladen sind.)

    Im Folgenden geben wir zwei Praktikerstenogramme mit kommentierter Übertragung wieder. (Für die Zusendung weiterer interessanter Praktikerstenogramme mit Übertragung sind wir dankbar.) Die beiden Beispiele zeigen Lernenden und Lehrenden, wie ein Stenogramm in der Praxis unter hohen Anforderungen aussieht:

    Stenogramm von Dr. Karl Erbach (DEK 1924)

    Stenogramm von Dr. Hans-Jürgen Bäse (DEK 1968)

    Weitere Hinweise zur Kürzungstechnik für fortgeschrittene Anwender siehe Band 12 unserer Schriftenreihe: „Durch starke Kürzungen zu stenografischen Höchstleistungen”.